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Neue Führungsmethoden – aus einem Gespräch mit Kerstin Riesch

Warum brauchen wir neue Führungsmethoden?

In einem wunderbaren Gespräch mit Kerstin Riesch, Chefin der Berliner Stromnetze, haben wir über diese und viele andere Fragen zum Thema Führung und deren Zukunft gesprochen. Kerstin Riesch ist der Ansicht, dass sich die Rahmenbedingungen derart ändern und ändern werden, dass es schlicht notwendig ist, die Strukturen an die Gegebenheiten anzupassen. Für Unternehmen, die nicht reagieren, wird der Mangel an Nachwuchskräften nur ein Problem unter vielen sein.

Was hat die Trauerkurve oder Kübler-Ross-Kurve mit dem Entwicklungsprozess in Unternehmen zu tun?

Veränderung kann Motivationsfaktor sein oder auch Verunsicherung bedeuten. Kerstin Riesch vergleicht den Prozess des strukturellen Wandels in einem Unternehmen hin zu zum Beispiel Agiler Führung mit der Kübler-Ross-Kurve, die auch Trauerkurve genannt wird. In ihr werden die Phasen der Trauer von Schock und Verleugnung über Abwehr und Verhandlung bis hin zu Akzeptanz und Integration beschrieben. Laut Riesch lässt sich allgemein der Prozess nicht selbstgesteuerter Veränderungen im Leben eines Menschen durchaus so abbilden. Und als besonders einschneidend und gegebenenfalls bedrohlich werden solche Veränderungen im bisher stabilen Arbeitsumfeld empfunden. Andererseits haben wir uns auch an ein gewisses Maß an permanenter Veränderung gewöhnt.

Was ist agiles Management?

Kerstin Riesch beschreibt ihre Faszination für den Agilen Ansatz mit dem Vergleich zu der Art, in der früher durch größere Veränderungsprozesse geführt wurde. Es musste alles vorher durchdacht und detailliert durchgeplant sein. Ein Plan musste her, den man dann minutiös ausführte. Dementgegen steht die Erkenntnis, dass gerade bei wirklich umwälzenden Prozessen selten alle Eventualitäten von vornherein bekannt sind und durch die Arbeit selbst neue Fakten entstehen, auf die man dann reagieren muss. Man steckt also unter Umständen viel Zeit und Aufwand in eine Planung, die dann ohnehin geändert werden muss. Außerdem war in diesem System wenig Raum für Änderungen im aktiven Prozess, was Anpassungen im laufenden Betrieb schwieriger macht.

Beim Agilen Ansatz hingegen steht am Anfang eine Idee, die in kleinen Schritten immer weiterentwickelt wird. Dabei wird ganz bewusst der Raum für nicht durchgeplante Entwicklungen eingeräumt. Zu dieser Arbeitsweise gehören eine Reihe von Methoden und Ritualen, wie zum Beispiel Reviews, die den Entwicklungsfortschritt regelmäßig und in kurzen Intervallen reflektieren. Als typische Methode nennt Riesch hier die Scrum-Methode.

Was ist die Scrum-Methode?

Die Scrum-Methode, wobei „Scrum“ mit Gedränge übersetzt wird, definiert für ein Team ein Ziel statt des gesamten Arbeitsprozesses. Über definierte Rollen und Prozessstrukturen kann ein Team die Vorgehensweise selbst entwickeln, überprüfen und nachjustieren. Die gemeinsame Prozesskontrolle steigert zudem die Akzeptanz getroffener Entscheidungen, weil alle Beteiligten Teil der Entscheidungsfindung sind und Teil des eigentlichen Veränderungsprozesses, der so als weniger bedrohlich empfunden wird.

Welche Voraussetzungen braucht Agiles Führen, um funktionieren zu können?

Als allererstes braucht es seitens eines Unternehmens, der Führungskräfte und der Mitarbeiter den Mut, diesen Weg in aller Ernsthaftigkeit auszuprobieren. Denn die Herausforderung bei ersten Schritten in die Richtung des Agilen Arbeitens ist es, die Abläufe konsequent einzuhalten. Mischt man die Methoden, behindern sie sich gegenseitig.

Das widerum setzt voraus, dass alle Beteiligten mit den Abläufen zum Beispiel der Scrum-Methode vertraut sind. Die theoretischen Grundlagen müssen also gelegt sein.

Welche Konsequenzen hat der Agile Ansatz für die einzelnen Mitarbeiter?

Der einzelne Mitarbeiter hat mehr Kompetenzen, mehr Mitspracherecht, mehr Verantwortung. Daraus erklärt sich, wie unterschiedlich Menschen auf diesen Ansatz reagieren. Denn dieser Gestaltungsspielraum kann beflügeln und neue und kreative Kräfte bei den Mitarbeitern freisetzen. Jedoch wünscht sich nicht jeder mehr Verantwortung, die aber damit unvermeidlich einhergeht. Nicht jeder, der sie sich wünscht, kann damit auch sofort umgehen.

Ist ein Wechsel hin zur Agilen Methode sinnvoll?

Vielleicht sollte es kein Wechsel sondern vielmehr eine Entwicklung sein. Menschen brauchen Zeit, sich in eine neue Situation einzufühlen und können den nächsten Schritt immer nur von ihrem Standpunkt aus gehen. Ein ganzes Unternehmen in eine neue Situation zu werfen, birgt nicht geringe Risiken, dass dabei viele auf der Strecke bleiben. Etablierte Hierarchien können hier sogar nützlich sein, um die Mitarbeiter mitzunehmen und sie in neue Methoden zu führen. Basis dafür ist aber immer das Vertrauen aller Beteiligten untereinander und natürlich ein sehr respektvoller Umgang miteinander.

Ist Agile Führung ein Allheilmittel?

Es gibt wohl keine Methode, die sich unterschiedslos und immer anwenden ließe. Daher kann auch die Agile Methode kein Allheilmittel sein. Riesch sieht uns hier in einem Prozess, der seit einigen und in den nächsten Jahren neue Methoden hervorbringen und entwickeln wird, die unserer Zeit angemessen sind. Branchenabhängig und abhängig von den konkreten Arbeitsprozessen, die zu gestalten sind, bieten sich verschiedene Ansätze an. Produzierendes Gewerbe mit standardisierten Fertigungsprozessen fordert unter Umständen andere Lösungen als ein Dienstleistungsunternehmen.

Was brauchen Unternehmen in Zukunft?

Das Angebot an „typischen“ Workshops für die Mitarbeiter wird in dieser Form nicht mehr ausreichen. Vielmehr besteht die Herausforderung darin, das Angebot aus theoretischer Wissensvermittlung und praktischer Anwendung auf die Bedürfnisse nicht nur des Unternehmens sondern weiter verfeinert auf die Bedürfnisse des einzelnen Mitarbeiters in genau seinem Anforderungsfeld zu einem bestimmten Zeitpunkt festzustellen und zu bedienen. Dabei spielen Unternehmensziele ebenso eine Rolle wie die Einschätzung des Mitarbeiters, an welchem Punkt er in diesem Augenblick Unterstützung braucht. So steht die HR in Zukunft vor der Aufgabe, die Grundlagen ihrer Bedarfsanalysen umfassend zu erweitern.

Gestaltungsspielraum und Verantwortung – das ist das Spannungsfeld, in dem sich der Agile Ansatz bewegt, aber auch der Blick auf Unternehmensentwicklung im Ganzen.

 

 

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